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Fachwerkhäuser – aus Sicht eines Handwerkers und Heimatfreundes

Historische Entwicklung

Dieses kleine Werk soll Fachwerkhausbesitzern/-liebhabern oder Interessierten eine Hilfestellung und ein paar generelle Informationen zu Fachwerkhäusern geben, insbesondere im Kontext meiner Heimat, dem Siegerland. Warum? Ich liebe diese Bauweise und das Arbeiten daran. Beruf als Berufung. Wie unser Motto: Handwerkskunst – Von Hand, mit Herz und Verstand.

Für evtl. Kritiker, dies ist keine Dissertation oder ein Fachaufsatz. Aus Freude an Fachwerkhäusern und Spaß am Teilen von Informationen sind diese Texte entstanden. Der geneigte Leser möge lesen. Die anderen mögen in Frieden Ihrer Wege gehen. Ich würde mich freuen, wenn für Sie daraus ein Gefühl für Ihr eigenes Fachwerkgebäude entsteht. Wenn nicht, melden Sie sich einfach bei uns. Wir stehen Ihnen gerne zur Seite, mit Rat und Tat.

Freudenberg im Dezember 2021, Peter Schneider Maurermeister und Restaurator im Handwerk

 

Historie - Kurzbetrachtung

Für die heutigen Entscheidungen, wie saniere (im Wortsinn „heile“) ich mein Fachwerkhaus, ist es sinnvoll sich mit der Historie des Fachwerkbaus zu beschäftigen. Da es in vielen Regionen so gut wie keine alten Aufzeichnungen oder Dokumentationen über den Bau, den Erhalt und die Pflege von Fachwerkhäusern gibt, war es notwendig Wege zu finden die Bauweisen unserer Altvorderen in der Moderne wieder zu begreifen. Ausgenommen hiervon sind die klassischen Lehrbücher die gerade Mitte des 19. Jhds. immer mehr Verbreitung fanden. Allerdings beschreiben diese Bücher nicht immer die regionalen Eigenheiten und Beweggründe des Fachwerkbaus.  Im Hinblick auf technische Fragen: „Warum, wurde was, wie gebaut?“, dienen uns dabei die heute noch vorhandenen Fachwerkhäuser als Grundlage für unseren Umgang bei den Sanierungen. Hierfür ist eine genaue Betrachtung der überkommenen Bauweisen incl. der i.d.R. neuzeitlichen Fehler notwendig.

Neue Wege, oder besser Rückbesinnung?

Einer dieser Wege, ist der Weg des Erfahrens durch praktisches Ausprobieren so wie es unsere Altvorderen taten. Über die Praxis des Bauens der Fachwerkhäuser wurden in alter Zeit Erfahrungen gesammelt. Diese Praxis führte zu empirischem Wissen welche Systeme baulicher Art sinnvoll, beständig und bauphysikalisch funktional sind, wobei die Bauphysik natürlich früher keine Rolle spielte, zumindest als Begrifflichkeit. Regionalität im Hinblick auf bauliche Eigenheiten (z.B. in Norddeutschland das Ausfachen mit Ziegeln oder mehr im südlichen das klassische Lehmflechtwerk) spielte ebenso eine Rolle. Ein weiterer Punkt waren die regionalen Rohstoffquellen die mutmaßlich, mangels Infrastruktur, immer in der Nähe lagen. Nähe bedeutet in diesem Zusammenhang zu Fuß oder mit Ochsen- oder Pferdekarren erreichbar. Antrieb war mit Sicherheit immer wie mit den regionalen Möglichkeiten/Rohstoffen funktionale und beständige Fachwerkhäuser (Steingebäude als Standard sind eine eher neuzeitliche Entwicklung und waren früher den wohlhabenderen vorbehalten) errichtet werden konnten. Wir können davon ausgehen, dass die Herangehensweise simpel war: Das Prinzip war einfach Versuch und Irrtum. Letztendlich bauen wir auch heute noch nach diesem Prinzip, auch wenn wir dies aufgrund der hohen Technologisierung und Industrialisierung so nicht wahrnehmen.

Entwicklung in der Moderne

Ein Meilenstein für unsere Baukultur und Ihre Denkmäler ist die s.g. Charta von Venedig aus dem Jahre 1964. (https://de.wikipedia.org/wiki/Charta_von_Venedig)

Mit Beginn der 70er Jahre erwachte auch in Deutschland mehr und mehr, wieder das Bewusstsein, für unsere Denkmäler. Es war eine Rückbesinnung darauf, dass unsere kulturellen Hinterlassenschaften für uns Menschen bedeutsam sind. Vielleicht auch die simple Erkenntnis, das jahrhundertealte Bauweisen so verkehrt nicht sein konnten. Nicht nur hinsichtlich unserer Wurzeln, sondern auch hinsichtlich der vorhandenen Ressourcen und dem damit notwendigen schonenden Umgang durch Verwendung natürlicher Baustoffe. Ein gutes Stichwort für diese Neubesinnung ist die Ölkrise Anfang der 70er Jahre. Mit der Neubesinnung entstand selbstverständlich auch ein neuer Markt für den industriellen Komplex. Im Rückblick lässt sich anhand unzähliger Schäden klar feststellen, dass der Versuch der Industrie, unseren Fachwerkhäusern industrielle Einheitsstandards überzustülpen im Wesentlichen als gescheitert zu betrachten ist. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass jedes Fachwerkhaus seine individuelle Baugeschichte mit seinen regionalen Baumaterialien hat. Hierzu zählen nicht nur individuelle Bauweisen, sondern auch geographische Lage und Umgebungsbedingungen wie z.B. Nachbarbebauungen. Nicht zu vergessen der Mensch, hier insbesondere die individuelle Herangehensweise der Handwerker und Baumeister. Es ist trotzdem kein Widerspruch, wenn heute in Teilbereichen unserer Fachwerkhäuser industrielle Produkte zum Einsatz kommen. Wir haben heute Produkte die uns, mit Augenmaß genutzt, z.B. im Wärme- und Feuchteschutz dienlich sind, beim Bewohnen nach heutigen Maßstäben.

Wegweisende Neuerungen durch Forschung und Bildung

Im Laufe der letzten 50 Jahre haben wir die alten Bauweisen sehr gut analysieren können. Wir sind heute in der Lage, im Besten Fall, am Bestand orientierend, Haus- und Menschengerecht unsere Fachwerkhäuser zu sanieren. Eine sehr positive Entwicklung hierbei sind z.B. die entstandene Ausbildung zum handwerklichen Restaurator und die Gründung der WTA (Wissenschaftliche-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege). Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Weiterbildungsmöglichkeiten und natürlich zahlreiche Informationen im Internet um sich selbst, auch eigenverantwortlich, mit der Sanierung von Fachwerkhäusern zu beschäftigen.

Fazit

Unser heutiger Wissensstand ermöglicht es uns, unsere Fachwerkhäuser so zu Pflegen und zu sanieren, dass diese noch lange ein Denkmal für eine großartige Baukultur sein können. Und ja, darin zu wohnen wird sich dann lohnen. Dies kann nur gelingen, wenn alle im Sinne der Häuser und Ihrer Bewohner handeln. Dazu bedarf es einer offenen und konstruktiven Kommunikation bei allen Beteiligten fernab von Egostrukturen und Gewinnorientiertem Handeln.

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