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Die Baumaterialien

Wie im ersten Teil schon beschrieben beschränkte sich die Auswahl der verwendeten Materialien auf das was regional an natürlichen Baumaterialien vorhanden war. Im Wesentlichen waren das Holz, Kalkstein und Lehm.  Je älter die Fachwerkhäuser sind und je größer der Anteil an originaler Bausubstanz ist umso besser lassen sich Rückschlüsse auf die regionalen Bezugsquellen ziehen. Auch alte Flurnamen lassen Rückschlüsse auf Rohstofflager zu. Wie z.B. Lehmkuhle oder An der Ziegelei. Hinzu kommen noch wirtschaftliche und politische Einflüsse die zeitweise die Art des Bauens und der verwendeten Baustoffe wesentlich beeinflussten.

Das Holz

Bei uns im Siegerland sind z.B. durch den Jahrhundertealten Bergbau und die damit verbundene Hütten- und Eisenindustrie in manchen Epochen wesentliche Änderung bei der Konstruktion der Fachwerkhäuser vorgenommen worden. Waren die heute leider nur noch spärlich vorhandenen Fachwerkhäuser des 15.Jhds. noch oft sehr kleinteilig gegliederte Eichenholzkonstruktionen mit teils stattlichen Eckstielen von bis 20x20cm und mehr, so wandelte sich dies im Laufe der Zeit z.B. derart, dass der Siegener Fürst, ich glaube im 18.Jhd., teilweise mit Bezug auf ältere Regelungen, eine Verordnung erließ, dass kein Eichenholz mehr für Fachwerkhäuser verwendet werden durfte, da dieses wegen seiner Witterungsbeständigkeit im Bergbau gebraucht wurde.

Dies bedingte die überwiegende Verwendung der schnell wachsenden heimischen Fichte mit allen bekannten Nachteilen. Der positive Effekt war mit Sicherheit die geringeren Materialkosten. Dennoch hielten auch diese Fachwerkkonstruktionen, so richtig ausgeführt und gepflegt, eine sehr lange Zeit. Trotz dieser Änderungen wurden häufig die Schwellbalken, die ja die Füße des Hauses sind, aufgrund ihrer exponierten Lage häufig noch in Eichenholz ausgeführt. Aus diesen alten Regelungen ging z.B. auch das Siegerländer Sparfachwerk hervor. Dieses zeigt sich oft als Fichtefachwerk mit kleinen Ständerabmessungen von höchstens 14x14cm und den fehlenden Querriegeln in den Gefachen, die in alter Zeit die Regel waren. Dies ist besonders deutlich an unseren Fachwerkhäusern um 1900 zu sehen. Geschosshohe Ständer mit relativ großen Abständen, keine Querriegel, außer unter und über den Fenstern, lediglich Schrägstreben zur Aussteifung der Hausecken oder der Innenwände (Bundwände) und häufig in Geschosshöhe zwei Rähme in deren Mitte die Deckenbalken auflagen. Zur Veranschaulichung der Begriffe siehe Link: https://community.fachwerk.de/index.cfm/ly/1/0/image/a/showPicture/19933$.cfm

Die Dachstühle mit ihren Speichern, oder wie wir im Siegerland sagen, dem Ollern, sind in alter Zeit ebenfalls häufig in Eichenholz ausgeführt worden. In der Regel dienten diese der Lagerung von Stroh, Heu oder Getreide. Ein übliches statisches System der Dachkonstruktionen, zur Ableitung der entstehenden Kräfte waren die liegenden oder stehenden Stühle, (https://dewiki.de/Lexikon/Dachstuhl), manchmal auch Mischformen.  Die Sparrenabstände lagen bei den alten Fachwerkhäusern oft bei bis zu 1,00m. Hierbei wechselte ein dickerer Sparren immer mit einem dünneren. Hieran ist auch heute noch zu erkennen, dass diese Dächer mit Stroh, gleich geringes Gewicht, eingedeckt waren. Ein typisches Siegerländer Dach aus der Nachstrohzeit war die Eindeckung mit dem s.g. Siegerländer Pfannenblech. Aufgrund vieler vernichtender Dorf- und Stadtbrände, so brannte der „Alte Flecken“ in Freudenberg im 17.Jhd. fast vollständig ab wurden die Strohdächer irgendwann verboten. Durch das geringe Gewicht der heimischen Bleche mussten an den Dachkonstruktionen keine Veränderungen vorgenommen werden. Dies änderte sich erst mit dem Aufkommen der ersten Eindeckungen aus Tonziegeln, die ein erheblich höhere Gewicht hatten. Wer sich für die alte Herstellung der benötigten Hölzer für Fachwerkhäusern interessiert, hierzu zählen auch Fassadenbretter oder sonstige Hölzer, möge sich die historischen Filme des Landschaftsverbands Rheinland (folgend LVR) ansehen:

Sägen mit Wasserkraft (5Min.): https://www.youtube.com/watch?v=rIRw_dKpDzg

Dielensägen auf dem Schneideplatz (58Min.): https://www.youtube.com/watch?v=mXqVnNcVv0A

Der Lehm

In der Entstehungszeit der Fachwerkgebäude wurden der benötigte Lehm vor Ort in den benötigten Mengen gewonnen. Hierfür wurde der Lehm nur in Kleinmengen für die lokalen Bauaufgaben wie Gefachfüllungen, Decken- und Bodenfüllungen und Putz- und Mauerarbeiten gewonnen. Dieser wurde vor Ort, mit nur geringfügigem, auf das notwendigste beschränktem Aufbereitungsaufwand bearbeitet um diesen als Baustoff nutzen zu können.

In Fachwerkgebäuden, die den ältesten Dorfgründungen zugehörig sind, findet man heute noch Lehmbauteile die sehr viel grobe Steine enthalten. Auch Lehmfüllungen und Putze mit einem sehr hohen Strohanteil lassen sich noch finden. Hatte der Lehm einen zu hohen Tonanteil, man nannte ihn dann Fett, wurde er z.B. mit Sand oder Stroh abgemagert. Bemerkenswert finde ich die Tatsache, dass mit nur einem Baustoff so unendlich viele Bauaufgaben gelöst werden konnten. Und wer hats erfunden? Mutter Erde. Ich finde das großartig.

Im gesamten Siegerland finden sich Hinweise auf die Verwendung von Lehm als Baustoff. Viele Flur- und Straßennahmen zeigen von der im 19.Jhd. beginnenden industriellen Gewinnung des Baustoffs und zeugen von der langjährigen Verwendung des Lehms. Heute finden sich noch viele ehemalige Abbaue in unserer Gegend die teilweise riesige Ausmaße haben. Oftmals sind dort kleine Gewerbegebiete oder Industriebetriebe entstanden. So z.B. „In der Lehmkuhle“ in Geisweid oder im Bereich der Bauking in Niederschelden. Besonders sehenswert ist der, rechter Hand, im oberen Teil der Friedrich-Wilhelm-Straße in Siegen liegende riesige Abbau. Mittlerweile ist dieser Abbau mit Wohnhäusern und Geschäftsbetrieben bebaut. Als Kinder sind wir noch in den Brennöfen der alten Ziegelei herumgelaufen. Diese lag auf der anderen Straßenseite.

Aus dem abgebauten Lehm wurden mit zunehmend benötigten Mengen Lehmrohlinge erstellt. Zunächst von Hand später maschinell. Durch das Brennen der Steine entstanden die klassischen Ziegel. Dies ging mutmaßlich im Siegerland mit der beginnenden Industrialisierung und der Bevölkerungszunahme einher. Wobei es den Ziegel als solches schon seit Jahrhunderten gibt. Siehe auch die römischen Bauten. Zahlreiche alte Wohn- und Industriegebäude veranschaulichen welch ungeheure Mengen an Ziegelsteinen zu dieser Zeit produziert wurden. So begann damals die Großproduktion zunächst als reiner Feldbrand im offenen Gelände.

Siehe Film des LVR: Feldbrandziegelei (47Min.):  https://www.youtube.com/watch?v=WJP0cjhDAyM

Die technischen Entwicklungen bei der Herstellung der Ziegelsteine führten schließlich zum Bau s. g. Ringöfen. Siehe Film des LVR (38Min.): https://www.youtube.com/watch?v=ToQNMUtNA74

Der Kalk

Das Thema Kalk bzw. Kalkstein als Rohstoff für Putze und sonstige Mörtel ist, zumindest nach meinen Erkenntnissen, bezogen auf das Siegerland, etwas schwieriger zu beschreiben. Mir ist nicht bekannt, ob es entsprechende Siegerlandspezifische Publikationen gibt die sich mit der Thematik Kalk als Baustoff auseinandersetzen. Das heißt nicht das es keine gibt. Auch in unseren öffentlichen zugänglichen Archiven mag sich der ein oder andere Schatz verbergen. In den letzten Jahren wurde vieles digitalisiert. Bei Interesse: https://www.archive.nrw.de/. Auch durch die Archäologie wurden Erkenntnisse hinsichtlich des Kalksteinbrennens gewonnen. Wie z.B. eine römische Kalkbrennerei in Iversheim in der Eifel, siehe Link: https://nordeifel-tourismus.de/kulturzeit/archaeologische-denkmaeler/roemische-kalkbrennerei-iversheim oder der 2018 bei Brilon-Bleiwäsche freigelegte Kalkbrennofen aus dem 19.Jhd. Siehe Link: https://www.archaeologie-online.de/nachrichten/sparsame-kalkbrenner-4138/. Auch bei der Kalkherstellung hat die Industrialisierung dazu geführt, das aus kleinen regionalen bis zu dörflichen Produzenten, Großbetriebe entstanden sind. Diese bedienen bis heute den Bedarf an Kalk, nicht nur für die Bauindustrie.

Es gibt genügend Befunde in unseren alten Fachwerkhäusern. Diese variieren sehr stark bezüglich der Verwendung des Baustoffs Kalk. Insofern sind meine Rückschlüsse subjektiv zu sehen. Grundsätzlich unterscheiden lässt sich die Verwendung des Kalks als Bindemittel für Mauermörtel und für Putze. Mir ist aufgefallen, dass, je älter die Fachwerkhäuser sind, umso weniger finden wir größere Mengen an Kalkhaltigen Mörteln.

Ich erkläre mir dies damit, dass der Prozess der Kalkgewinnung durch den Abbau im Kalksteinbruch, das Brechen der Steine (zerkleinern), das Brennen und das Löschen des Branntkalks mit Wasser ein Zeitintensiver und mutmaßlich kostspieliger Akt waren. Siehe Film des LVR (40Min.) von 1979: https://www.youtube.com/watch?v=t0RCcJfC27s. Nicht zu vergessen die großen Holzmengen, die für das Brennen des Kalksteins notwendig waren.

In Fachwerkhäusern des 18. Jhd. habe ich häufig auf den Lehmunterputzen, die teils mehrlagig waren, lediglich dünnlagige Kalkputze gefunden. Manchmal nur knapp einen halben Zentimeter stark. Auch in dem Bruchsteinmauerwerk der Keller und Sockel sind häufig Lehmmörtel verwendet worden und lediglich die Abschluss Verfugung bestand aus Kalkmörtel. Je jünger die Gebäude werden, umso mehr finden wir eine Zunahme der Kalkmörtel.

Betrachtet man die weitere Entwicklung der Fachwerkhäuser so war um 1900 ein reiner Kalkmörtelverputz, in der Regel 2-lagig, direkt auf die Fachwerkhölzer und die Gefache eher die Regel. Auch der Verputz der Deckenunterseiten die in dieser Zeit meist aus schmalen s.g. Spalierlatten (ca. 2cm breite Holzlatten mit Abstand verlegt für den Halt des Putzes) bestanden, wurden meistens aus Kalkmörteln hergestellt.

Die unterschiedlichen Anforderungen an die Kalkmörtel, (Einbauort, Funktion) haben unsere Altvorderen zum Experimentieren veranlasst. Durch Zugabe von z.B. entfetteten Tierhaaren oder Kasein, um nur zwei zu nennen, konnten die Mörtel modifiziert werden. Vor allem bei Aussenputzen auf den Gefachen kam diesem modifizieren eine enorme Bedeutung zu.

Nicht zu vergessen ist Kalk als Anstrichmaterial. So wurden z.B. beim Einsumpfen des Kalks in Kalkgruben durch das Absinken der unterschiedlich schweren Bestandteile grobe (unten) bis sehr feine (oben) Kalksorten gewonnen. Als oberste Schicht stand das Kalksinterwasser das z. B. als Grundierung genommen werden konnte. Vor dem Aufkommen der Tapeten, die in den Anfangsjahren eher den wohlhabenderen vorbehalten waren, wurden die Putze mit Kalkfarben gestrichen. Wir finden diese Anstrichmittel bis in die 1960 Jahre. Da diese Anstriche auch noch hoch alkalisch waren schützten sie auch vor Schimmelbildung, zumindest bei frischen Kalken. Dies ist auch ein Grund warum Tierställe oft einmal im Jahr mit Kalkfarbe gestrichen worden sind.

Fazit

Die drei Hauptbestandteile Holz, Kalk und Lehm waren lange Zeit die Hauptprodukte beim Bauen von Fachwerkhäusern. Ich bin davon überzeugt, dass es mit unseren Industriellen Massenprodukten nicht gelingt diese Harmonie der dadurch entstandenen gesunden Häuser zu reproduzieren.

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